PopUp Festival in Leipzig – Freitag

Freitag, 7. Mai 2004 00:00 Uhr
Beitrag in Partyreview von Daniel 52

>>> Der Freitag

Das war sie nun, die dritte PopUp in Leipzig und um es gleich zu Beginn vorweg zu nehmen, hat sich eines bei der Messe und besonders zu den Abendveranstaltungen klar heraus kristallisiert: Die Kinderschuhe in denen das Festival im letzten Jahr noch steckte, sind nicht nur zu klein geworden, sondern haben sich mit einem lauten Knall von den Füßen des Musikhappenings gelöst. Was der PopUp-Reader versprach, machte nicht nur neugierig, doch gleichzeitig an mehreren Orten zu weilen, widersprach der Physik und hätte uns spätestens zur Messe aus den Latschen gehauen. Daher nur gezielt die Programme der Abende, die in unseren Augen einen Höhepunkt versprachen und es auch bewahrheiteten. Ein Erlebnisbericht:

Freitag. Nach stundenlangem Vor-dem-Programm-brüten, logistischem Hin-und-Her und Straßenkartenstudium stand der Nachtwalk für beide Tage fest. Das WMF-Aufgebot im UT Connewitz versprach Tanz-Musik ohne Balken und Grenzen. Gegen neun Uhr abends zum fünften und sechsten Strich auf der Gastzählliste betraten wir den alten Lichtspielsaal. Zweifel, warum und wieso sich erst so wenige Gäste hierher verirrten, wurden schnell beseitigt. Daniel Wetzel (glaube ich zumindest) vollführte ein wahres Meisterwerk an DJ Kunst. Trockener Minimaltechhouse, teils melodisch, mörderisch groovend und dennoch nicht aufdringlich nahm in der einzigartigen Atmosphäre des einstigen „Union Theater Connewitz“ von dem Augenblick an gefangen, in dem man es sich auf den guten alten rotfarbenen Kinoklappsitzen gemütlich machte. Es hätte so weiter gehen können, sollte aber nicht.

Nach kurzem Hin-und-Her zwischen der nachfolgenden schon ganz aufgeregten Combo und dem DJ („…Nur noch eine Platte…“) machte sich das skurrile Trio auf der Bühne breit. Bassist Oren Gerlitz (in bester Rasta-Manier), Robot (oder doch Robert?) Koch am Laptop, Synthie plus Schlagzeug und die quirlige Egotistin (im positiven Sinne) Sasha Perera.

Was sich dann den Zuhörern in dem mittlerweile prall gefülltem Kuppelgebäude bot, ist eine fast unbeschreibliche Metamorphose zwischen grooviger Elektronik, abstraktem HipHop und Oldschool-Funk: Jahcoozi. Einschlägig bekannt und mit „Fish“ eigentlich der Pflichtbestandteil in jedem DJ-Koffer.

Flippig und mitreißend von der ersten bis zur letzten Minute, immer anfeuernde Worte für die zappelnden und mitwippelnden Gäste und die eine oder andere Überraschung.

Ob nun ein funky Mini-Solo auf der Bassgitarre, hibbeliges Schlagzeugbetätigen oder einfach mal Trompete zum einzigartigen Gesang. Aus Show, Stimme und Musik wurde das Beste herausgeholt: nur allzu verständlich, dass noch drei Zugaben eingefordert wurden. So schnell Jahcoozi von der Bühne verschwanden, legte sich auch das Interesse des Publikums, was nicht nur dort bewies, dass es heutzutage doch eher auf das Showelement ankommt. Es muss etwas geboten werden.

Das bloße Tanzen zur Musik oder Anhimmeln eine DJs reicht vielen nicht mehr aus, was sich sofort auf den nachfolgenden LIVE-Act Kotai (betreibt unter anderem ie Berliner Clubs Elektro und Panasonic) auswirkte. Hinter der wenigen Technik verschanzt, fiel er kaum auf und würde er nicht dazu singen/sprechen, hätte er kaum Beachtung geschenkt bekommen. An der Musik konnte es nicht liegen: Techno kühl und distanziert, dennoch sehr deep und funktional. Trotzdem Zeit zu gehen für uns.

Nach einem Zwischenstopp in Ilses Erika,
dass mit Punkrock nicht gerade auf unserer Interessenwelle lag, aber eine gute Aufwärmstation bot und auf dem zweiten Floor mit knackigem Techhouse verwöhnte, schnell ein wenig Smalltalk (die Welt ist ein Dorf) und ab ins Distillery. Repertoire und Propellas boten einen stilübergreifenden Abend, der es in sich hatte und für einen brechend vollen Club sorgte; wohlgemerkt an einem Freitag!

Verändert hatte er sich schon ein wenig, seit unserem letzten Besuch. Alles wirkte geordneter und durchdachter. Die fast inflationär verwendeten Dia-Projektionen waren da nur ein Bruchteil des dicken i-Tüpfelchens.

Während der Keller mit Slowtech und Electro beschallt wurde, zog es den Großteil der Leute nach oben, denn die Künstler dort wollte nun wirklich niemand verpassen. Die erhaltene Running-Order war dann leider doch schon etwas veraltet, dass es unseren „Partyplan“ (viel trinken – kurzer Abend) doch etwas durcheinander warf.

Gegen zwei wurde dann doch das Warten belohnt. Schon von den groovigen HouseNotHouse-Sounds des Sevensol & Bender Teams angeheizt, explodierte dass Publikum förmlich, als Namusoke das Podium betrat.

Mit ihrer selbstprodzierten Mischung aus House, Latin, Reggae, Soul und Funk sowie ihrem LIVE-Gesang gewann sie die wabernde Meute auf der Tanzfläche sofort für sich. Die Musik nicht unbedingt besser, als die des vorhergehenden DJ-Teams, aber der LIVE-Bonus zählte: Fast wie auf Militärbefehl drehten sich alle Tanzenden zur Bühne und betanzten Namusoke. Everybody needs a star.

>>> Die PopUp Messe

Zerknittelt und todmüde schaffte man es doch irgendwie am Samstag in das Werk II zum eigentlichen Zenit des PopUp-Festivals – der Messe.

Erfreulich, dass wir nicht die Einzigen waren, die eine lange Nacht hatten. Hier und da fehlte noch der eine oder andere Stand. Nach und nach wurden die leeren Plätze dann aber mit genauso Freitagabend-Ausgehern belebt und gegen 14.00 Uhr dürfte der Reigen komplett gewesen sein.

Überbucht und keine größere Halle zur Verfügung war Sardinen-Feeling angesagt. Wie Presspappe (na gut ich übertreibe) saß da Stand an Stand. Die Teilnehmer waren einen kleinen Schliff ausgewählter als im letzten Jahr und auch das zeitige Erscheinen lohnte sich. Denn sonderlich viel an CD’s und Vinyls hatte nur selten ein Stand dabei, Glück wer da sein gewünschtes Vinyl zu günstigem Messepreis bekam.

Einen Gewinnerstand zu nennen, ist unmöglich, fast jeder präsentierte sich mit seinen Mitteln von der besten Seite, einzigst von V2 hätte man mehr erwartet. Das Label hat nun doch etwas mehr Stock im Hintergrund und hätte seinen Stand nicht nur aufregender gestalten, sondern auch ein klitzkleines bisschen mehr Angebot haben können.

>>> Der Samstag

Der darauffolgende Abend begann ruhiger. Der obligatorische Besuch der Milchbar und ein kurzer Blick in die neueröffnete Betten- und Lümmlel-Bar Sol y Mar stimmten auf den Abend ein und ließ uns das UT Connewitz erreichen.

Der Samstag als der Zenit des Nachtlebens, wirkte sich auch hier aus. Gut gefüllt, ein unbändiges Verlangen nach Cocktails, was die Barkraft für die Fast-Langeweile am Vortag entschädigte und ein dankbares Publikum.

Musikalisch bot sich knackiger Techhouse
(was sonst) von Move D., der die Meute mit seinem LIVE-Repertoire so richtig zum Tanzen brachte, obwohl der Abend eher als Einstimmung gedacht war.

Die im letzten Jahr und auch am Freitag ungenutzte Leinwand, war nun Zentrum feiner Videospielereien von VJ Vlight To der mit VivaPlus Font und Designers Republic Anleihen auch das Auge verwöhnte.

Der Bruch kam mit Lowtec, der dann wie der Name schon verrät, deeper, verschachtelter und ruhiger wurde. Honorar der Gäste: sie gingen nach und nach.

Nicht weil es ihnen nicht gefiel, sondern aufgeheizt durch Move D. dann doch noch irgendwo richtig tanzen wollten. Gut für die Gäste, schade für Lowtec, der sein LIVE-Set durchaus interessant gestaltete.

Noch eine Spur mehr LIVE wurde es in Ilses Erika. Der gemütliche Kellerclub mit den wirklich schönen Prints an den Wänden, hatte die Hazelwood-Night inpetto.

Auf der intimen Minibühne spielten Kool Aid Acid Test und so wie der Name, auch die Musik. Criminal Rare Groove versprach der PopUp-Reader und so war es dann auch. Schubladenmusik gab es nicht. Quäkige Klänge, ein wenig Brass, schickes Kontrabass-Dumdeln und elegante Scratchorgien. Mehr geht (auf dieser Bühne jedenfalls) wohl kaum. Eisenharte Konkurrenz bekamen die vier vom Floor zwei im selben Club. Funk, Soul und Breaks in bester Variation zogen immer mehr Gäste vom Bühnebereich auf die hintere Minitanzfläche, die von einer Vigilanz dominiert wurde, dass es einem eine Gänsehaut bescherte.

Im Distillery derweil ein im Vergleich zum Freitag vollkommen ausgewechseltes Publikum. Tja, Pech für uns: LIVE-Acts im Keller verpasst. Musik dennoch sehr funktional und knackig und auf der wirklichen 1A++++ eingestellten Anlage sowieso ein Genuss, ein Dämpfer war die schon im Vorjahr bemerkte Vernachlässigung des Kellers.

Im allgemeinen zwar durch die Bar und das freundlichere Licht etwas einladender, aber die Diaprojektionen und Videoanimationen (wie zum Vortag) hätten den eingelassenen Nischen wirklich wieder gut gestanden. Oben dann großes Wunderbeutel umhängen. Irgendwie war der Musikstil oben wie unten gleich, was aber nichts der Stimmung abbrach. Es war Samstag und es wurde gefeiert. Den LIVE-Act und Clé sparten wir uns, waren deren Sounds doch sowieso doch genau auf das Publikum zugeschnitten.

Unser Resumé. Die PopUp hat sich etabliert, hat sich spätestens jetzt mit der dritten Auflage einen exzellenten Ruf erarbeitet, den es sicher nicht so schnell los wird und dürfte 2005 schon blind eine Empfehlung sein, zumal dort geballt Acts zu sehen/hören sind, die man nicht oder nur selten zu Gesicht bekommt.

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