Was wird aus Vinyl?

Mittwoch, 10. März 2010 15:25 Uhr
Beitrag in Kolumne von Daniel 487

Ich hatte nie mit dem Gedanken gespielt oder es je zu fragen gewagt; doch ich glaube, Vinyl wird als Handwerkzeug für den DJ langsam an Bedeutung verlieren. Nicht so langsam wie in den letzten Jahren, die Kurve nach unten wird steiler. Was schade ist, denn das Bestreiten eines Sets mit den schwarzen Scheiben hat eine gewisse Dynamik, für den DJ und für die Zusehenden. Das Eindrehen, das Lesen der Rillen, die Aufschluss über Geschwindigkeit, Breaks und Flächen geben oder auch irgendwie die Sammelleidenschaft in Zusammenhang mit der Haptik und dem kognitiven Speichern der Titel im Gedächtnis. Man merkte sich die Cover, nicht die Namen.

Die CD hat sich dahingehend nicht etabliert. Der Kompromiss mit dem, dem Plattenspieler nachempfundenden indirekten Kontakt war eher nur eine Krücke. Die Silberlinge sprunganfällig und nicht gefeit gegen Kondenswasser. Zudem musste man sich seinen Player öfter selbst mitbringen, denn ein Standard hat sich nie durchgesetzt und der, der es mit den Pioneer MKs hätte werden können, ist schlichtweg zu preisintensiv.

Dann kam der Schritt zum Digital-DJing, der in die richtige Richtung ging, zeitweilen aber noch an der fehlenden Einigkeit scheiterte. Jetzt: Serato Scratch und Traktor Scratch beherrschen den Markt. Ersteres eher im HipHop-Bereich, zweiteres im elektronischen und Chart-Sektor. So gehen HipHop-Clubs langsam dazu über, Seratovorbereitete Pulte bereitzustellen (passende Mixer gibt es ja) und andere wiederum Traktor-vorbereitete. Das hält die Kabelaction im dunklen Club in Grenzen. Laptop ran und gut ist.

faderfox_pr2009_DX2_side_1Solange das aber nicht zum Standard wird, ist das eine ebenso morsche Krücke, wie auch das CD-DJing. Vinyls packt man aus, ordnet sie kurz im Koffer und es kann losgehen, auch in der kleinsten Miniparty in der Provinz. Das Verkabeln eines Digi-DJ-Sets ist da aufwändiger und wehe man vertut sich mal mit den Strippen…

Der optische Aspekt kam beim Digital-DJ bisher auch noch etwas zu kurz. Blasse Gestalten beugen sich über den Laptop und kratzen in den Playlisten. Wer da mehr Bedienen will, kommt mit Tastaturkürzeln weiter. Nicht weit genug jedoch. Es gab Aufsätze, Auflagen, später der mehr schlecht als recht funktionierende Faderfox (Foto rechts) und jetzt der Traktor X1-Controller (Foto 2), der ds DJing endlich in eine neue Sphäre hebt.

traktor_kontrol_x1_grossDas Gefummel auf den kleinen Laptop-Tasten entfällt. Die Software bzw. alle nötigen und wichtigen Buttons lassen sich mit der „Verlängerung“ besser und intuitiver steuern. Der Zeitraum der schalen Blicke auf den Monitor wird kürzer, durch die Knöpfchendreherei kommt LIVE-Act-Feeling auf. Mehr Spaß für den DJ und auch für die Zuseher/-hörer. Die Timecodeplatten verstauben zusehends und lassen Platz für verbliebene echte Vinyls. Das Angleichen der Tracks übernimmt die Software (die im Vorfeld ein wenig trainiert werden möchte). Während der DJ sonst nur als Musikvorführer wahrgenommen wurde und gerade bei kurzen Titeln ausschließlich mit dem Eindrehen der Platten beschäftigt war, kann jetzt mehr getobt werden. Sets bekommen mehr Dynamik, DJs bekommen ein besseres Profil und unterscheiden sich mehr voneinander.

Der wichtigste Grund jedoch, weshalb Vinyl seine Hauptrolle verlieren wird, ist das Musikangebot. Damit meine ich nicht unbedingt die Fülle und Quantität der digital erhältlichen Tracks, auch nicht der Preis ist da ausschlaggebend (wobei es doch schon ein Vorteil ist, sich die Rosinen aus EPs und Alben rauspicken zu können). Vielmehr ist es das Erscheinungsdatum, welches ein Wörtchen mitzureden hat. Digital-Releases erscheinen mitunter bis zu acht Wochen vor der eigentlichen Vinyl-Veröfentlichung, sofern überhaupt eine geplant ist. Usus der Labels und Künstler ist es, zu Warten, ob es sich lohnt. Meistens tut es das nicht oder die Vinyl ist wegen zu geringerer Auflage kaum aufzutreiben. Größere Kontigente gibt es selten, zu hoch ist das Risiko des finanziellen Verlustes.

Dazu kommen die Promos der verschiedenen Labels. Diese flattern ausschließlich als für die Labels kostengünstiges Digital-Paket im Postfach an. Musste ich vor einiger Zeit den ganzen Kram auf CD brennen und hoffen, dass im Club ein vernünftiger Player da steht, werden die MP3s auf die Platte gezogen und fertig. Das geht mitunter so gut, dass noch paar Stunden vor dem Gig der Laptop mit passendem und frischem Material, direkt aus dem Posteingang bestückt wird.

Vinyls kaufe ich nur noch selten. Eher nur Alben aus Sammlerleidenschaft.
Dafür dass ich vor einiger Zeit noch so ein Vinyl-Verfechter war, stimmt mich das eigentlich traurig.
Aber wer nicht mit der Zeit geht, muss mit der Zeit gehen…

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13 Kommentare

  1. Supi schrieb:

    Jepp, schade isses.
    Hab am WE das erste Mal an nem DJ-Pult gestanden, an dem neben dem Mixer erst 2 Fette CD-Player kamen und dann erst die Turntables. Irgendwie sinnbildlich für den steigen Vorschub neuer Technologien.

    Ich finds nicht gut!

    Montag, 22. März 2010 | 04:07

  2. SBi schrieb:

    „Aber wer nicht mit der Zeit geht, muss mit der Zeit gehen…“

    ein schöner satz der es genau trifft.

    trotz allem finde ich die entwicklung gut. ich z.B. will auf die Spielereien die das SERATO bietet nicht mehr verzichten – und auf die Masse der Stücken schon garnicht !

    Mittwoch, 24. März 2010 | 16:03

  3. Supi schrieb:

    ich glaub ich fang eher an mir mp3’s zu kaufen und die dann auf platten schneiden zu lassen, als mit nem laptop rumzureisen ;).

    aber naja, sag niemals nie.

    Freitag, 26. März 2010 | 05:13

  4. Daniel schrieb:

    Hab ich auch mal gesagt.

    Freitag, 26. März 2010 | 09:35

  5. jazzman schrieb:

    Hallo Zusammen,

    da ich auch grosser Fan von Vinyl bin, fiel es mir auch schwer zu wechseln. ABER Serato oder Traktor bieten da eine gute Zwischenlösung. Das Handling des Vinyls bleibt das gleiche aber das Medium ist digital und nicht annähernd so schwer :-). Die Systeme sind heute so gut, dass praktisch kein Unterschied mehr zu fühlen ist. Die Möglichkeiten aber sind ungleich höher als nur Platte, bezogen auf Effekte und DJ Techniken. Ich benutze Traktor Scratch pro und bin höchst zu frieden!!!

    Trotzdem ist die Atmosphäre in einem Plattenladen eine ganz besondere die ich nie missen möchte. Die Gespräche und Empfehlungen sind immer toll gewesen und werden es auch immer sein.

    Dementsprechend lautet mein Fazit:

    „mit der Zeit gehen aber Traditionen nicht vergessen“

    in diesem Sinne schönes WE und Grüsse aus der Schweiz

    Freitag, 26. März 2010 | 11:23

  6. Supi schrieb:

    naja, für mich lohnen sich solche systeme schon finanziell nicht.

    außerdem bleibt immernoch der nachteil, dass man die musik auf der scheibe nicht mehr sehen kann, was ich aber brauche, da ich meine platten nich alle auswendig kenne…

    naja, da könnte man ewig diskutieren. irgendwie find ichs halt schade, durch software und „synch“ funktionen geht meiner meinung nach irgendwie das grundhandwerk des dj’s verloren…

    Samstag, 27. März 2010 | 10:39

  7. Daniel schrieb:

    Ist alles eine Umgewöhnungssache ;-) Die genannten Vorurteile hatte ich auch anfangs. Spätestens jedoch, wenn man sich nicht mehr einen dabei abbricht, einen Zweiminüter in sein Set unterzubringen, schätzt man die neue Technik.

    Andererseits. Wenn ich mir den neuen heißen Scheiß von Wacom oder Numark so angucke, ist Laptop-DJing auch bald Geschichte.

    Samstag, 27. März 2010 | 13:08

  8. Supi schrieb:

    Ich denke, wenn ich öfter auflegen würde, würde ich da auch anders drüber denken.

    Aber ich glaube, ich werd bis zum Ende meiner Tage meinen dicken Koffer in die Clubs wuchten. Vllt. werd ich in 5 Jahren deshalb schon doof angeguckt ;)

    Sonntag, 4. April 2010 | 18:19

  9. Daniel schrieb:

    Ach den Koffer schleppe ich auch immer noch mit, weil ich zu faul bin, meine alten Platten zu digitalisieren.

    Montag, 5. April 2010 | 10:53

  10. cosmo schrieb:

    „Wir fahren mit Schallplatten, weil man mit einem Snowboard nicht Ski fahren kann!“ Krause Duo

    Und so siehts aus, Vinyl wird nie untergehen, da es einfach zu viele Vorteile hat! Sicherlich ist das Gewicht nen entscheidender Nachteil für viele. Aber gute Musik und guter Sound hat nun mal sein Gewicht/seine Gewichtung! ;)

    Allerdings erwiche ich mich des öfteren in letzter Zeit mit CD aufzulegen, allein zwecks Promos die ich bekomme ist das super!

    Donnerstag, 6. Mai 2010 | 14:55

  11. Supi schrieb:

    Ich habe mich letztens gefragt:

    Die Kassette hat Vinyl nicht verdrängt, obwohl viel leichter und praktischer.
    Die CD hats nicht geschafft, obwohl viel effektiver, leichter und praktischer.

    Warum sollte die mp3 nun das Vinyl entgültig verdrängen? Ich hoffe, es wird nur, wie alle anderen Sachen, eine Alternative bleiben…

    Dienstag, 11. Mai 2010 | 10:18

  12. toni schrieb:

    Hi Daniel
    Habe bezüglich deines Beitrages noch eine Frage: kann man mit dem x1 controller auch echte vinyl platten ansteuern bzws. effekte und loops auf die platten übertragen, oder funktioniert das ganze just in Kombination mit digitalen musikdateien und timecodeplatten? Wäre Dir super Dankbar für eine Antwort…. ;-)
    Gruss
    toni

    Mittwoch, 11. Mai 2011 | 11:56

  13. Daniel schrieb:

    Nein. Der X1 steuert einzig und allein die Traktor-Software, die nur mit digitalen Musikdateien gefüttert werden kann. Timecode-Platten sind dabei nicht zwingend nötig. Man kann die gesamte Transport- und Effekt-Sektion der Software mittels des X1 steuern, wobei ich einen Controller mit Jogwheel (Traktor S4 z.B.) vorziehe.

    Mittwoch, 11. Mai 2011 | 12:03


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