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DJ Fangkiebassbeton
Interview - Druckversion
Dirk Kelsmann
rockt das Haus
mit seiner etwas anderen experimentellen DJ-Musik, wie er es
nennt, und ist auch sonst auf sehr neuen Pfaden unterwegs.
Mit "Handkies' met Musik" veröffentlichst Du
nun nach "Astralkrach" Dein drittes Album. Da fällt
wieder auf, dass Du es vermieden hast, Dein Werk auf mehrere
Vinyls zu verteilen, sondern alles auf eine einzige besonders
schwere Scheibe gepresst hast. Hat das einen besonderen Grund?
Ja! Schweres
Vinyl läuft ruhiger und stabiler als leichtes und zu dem
können die Bässe tiefer geschnitten werden. Normaler
weise kann man Tracks auch auf normal dickem Vinyl pressen, da
erzeugt dann die Fettness der größere Rillenabstand.
Daher werden oft Produktionen auf mehrere Scheiben verteilt,
auf denen dann pro Seite nur 2 Tracks sind. Das wiederum ist
eine Kostenfrage. Deswegen entschieden sich das Label und ich
dazu eine schwere Vinyl zu nehmen um so zu verhindern, dass die
Qualität des Sounds leidet. Und so konnten wir gute Qualität
günstig produzieren. Schweres Vinyl ist zwar nicht so gut
zu händeln, aber meine Scheiben sind ja auch nicht zum Auflegen
gedacht, sondern zum ausdrücklichen Hören.
Wie kam es zur Verbindung zu "Music Is My Heroin".
Wurden die Leute dort durch Dein Erstlingswerk "Fangkiebassbeton_ung"
aufmerksam?
Als erstes, um
mal klar zu stellen - die "Fangkiebassbeton_ung" war
meine Demo-CD! Die Auflage betrug sensationelle 30 Stück
(haha). Doch diese CD war erst einmal nicht der Grund für
die Zusammenarbeit mit "musicismyheroin". Da muss ich
etwas ausholen, um das zu erklären.
Die Stadtsparkasse
Köln veranstaltete vor ca. zwei Jahren einen "Black
Föös" Remix Wettbewerb. An diesem habe ich teilgenommen,
zwei Stücke von den Jungs geremixt und zum Wettbewerb geschickt.
Genau in dieser Zeit war ich in Kontakt mit einem alten Professor
der FH, in der ich noch studiere. Der fragte mich, ob ich nicht
Lust hätte an seiner neu gegründeten Privatschule für
Gestaltung, Zeichenunterricht zu geben. Dort angekommen, empfing
mich ein Typ namens Axel Redlich (Besitzer von musicismyheroin).
Wir verstanden uns direkt gut und kamen dann so ins labern -
auch über den Remix-Wettbewerb. Da hatte ich zufällig
eine CD dabei, auf der die zwei Tracks drauf waren. Er fragte
mich, ob ich noch mehr so krankes Zeug gemacht hätte und
ob er denn, wenn, etwas zu hören kriegen könnte. Ich
sagte Ihm, dass ich da eine Demo-CD am Start habe (die besagte
fangkiebassbeton_ung). Die habe Ihm dann geschickt und bekam
nach ca. einer Woche einen Anruf von Ihm, in dem er mir mitteilte,
dass er gerne eine Vinyl mit dem Scheiß rausbringen möchte.
Weiterhin gab er mir freie Hand, was Gestaltung der Platte und
Trackzusammenstellung anging. Da war ich echt platt - ich hätte
niemals im Leben damit gerechnet, dass jemand meine Musik rausbringt!
Ich bin im Dreieck getitscht! Echt fett!!!
Du preist Dein Album als "Original Handarbeit" an.
Heißt das, dass Du alles in einer Art Live-Session zusammenmixt,
-scratcht und dabei mitschneidest oder wird danach - abgesehen
vom Mastering - digital etwas nachgeholfen?
Ich fange an
die Samples zu suchen die ich im Kopf habe, dann baue, bzw. schneide
an meinem Mehrspurgerät einen zirka zehnminütigen Loop,
mixe live Sounds, Beats und Scratches dazu und übe erst
einmal. Wenn ich etwas gefunden habe, was mir gefällt, sodass
es auch von Geschwindigkeit und Klang passt, mixe ich das auf
den Loop und nehme das gleichzeitig auf. So entstehen nach und
nach mehrere Spuren. Dann probiere ich Varianten der Spuren untereinander
und schneide hier und da was raus, oder füge wieder etwas
ein. Wenn das Gerüst, bzw. der Track steht, erarbeite ich
die Effekte die (wenn überhaupt) darüber laufen sollen.
Die Samples sind alle von Hand per Plattenspieler eingespielt
und von der Geschwindigkeit und Tonlege her angepasst. Alle Scratches
sind live eingespielt und nicht gesampelt (das wäre ja auch
arm!!!). Manchmal kommt es vor, wie bei dem Stück "Im
Park", dass ich eine Session von 5-6 Stunden mache und ein
Track entsteht, der dann nicht mehr verändert wird! Deswegen
"Original Handarbeit". Keine Rechner, kein sampeln
von CD, kein sampeln mit Samplebearbeitung mit Hardwaresamplern,
höchstens von Videofilmen. Die haben nämlich annähernd
eine Soundqualität wie alte Scheiben. Das kommt allerdings
äußerst selten vor.
Woher holst Du Dir die Inspirationen, Ideen und das Material
für Deine größtenteils recht skurrilen und interessanten
Einspielungen, wie zum Beispiel bei "Schallplattenapparat"
oder "Chinamann 2001"?
Nun, Ich stöbere
viel auf Flohmärkten. Da besonders in den Kisten, die an
normalen Ständen ganz unten stehen. Meistens liegen da dann
noch Comic-Hefte oder alte Stiefel drauf. Da finde ich meine
schrägsten Platten. Ich versteife mich aber beim Suchen
nicht, sondern öffne mich für Alles. Volkmusik, Schlager
und Countrymusic gehören genau so dazu wie Klassik, Hiphop,
D'n'B und Stereoanlagen-Testplatten etc.. Die skurrilen Einspielungen
entstehen durch Probieren - "Was ist möglich"
und "Was funktioniert noch". Die skurrilste Mischung
ist da sicherlich das Stück "Marmeladensitzung"
(Jam-Session auf gut Englisch). Da vermischt sich Schlager mit
Acid-Jazz, Jazz, Funk, Kinderliedern und indonesischer Volksmusik.
Das zeigt, dass Musik, egal welcher Herkunft und Spielart, auf
irgend eine Weise zusammen funktioniert. Das ist mein Vorgehen
und gleichzeitig auch meine Inspiration. Natürlich habe
ich auch Inspiratoren wie Kid Koala, Cold Cut, DJ Shadow, DJ
Krush, DJ Stix, Aphex Twin, DJ Walley, Flanger, Herbalizer, Boom
Boom Satelites, Vadim etc. Das würde aber jetzt zu lange
dauern, das alles aufzuzählen. Inspiratoren sind auch viele
Funk-, Jazz-, und Soundtrack-Geschichten und vor allem, was das
Sampeln angeht: die guten alten Hörspiele!
Mit Deiner Musik sitzt Du von Weitem betrachtet zwischen den
Stühlen. Eigentlich ist es Instrumental HipHop (neudeutsch:
TripHop), der für diese Zielgruppe aber etwas zu experimentell
ist und ohne MC eben nicht HipHop ist. Andererseits horcht die
elektronische Szene bei Deinem Namen auf und ordnet ihn klar
in ihre Ecke ein. Wie denkst Du darüber?
Klassifizierungen
braucht man, um den Markt übersichtlich zu gestalten. Selbst
im Hiphop und D'n'B gibt es so viele Abstufungen und Feinheiten,
da wissen selbst die Macher nicht mehr Bescheid. In England und
den Staaten heißt es auch noch anders (Downbeats, eigentlich
auf den Punkt gebracht!) und schon sind wir alle schön verwirrt!
Sparten gibt es auch um sich abzugrenzen und abzukapseln. Das
ist eine Schutzfunktion, die man sich schafft, um außerhalb
der jeweiligen Szene, keiner Kritik unterworfen zu sein. Das
ist Tunneln und der Inbegriff von spießig, nicht über
den Tellerrand hinaus schauen - genau das, was die Szenen vorhalten
/ vorwerfen nicht zu sein und zu machen (Hmmm!?! irgendwie ist
das doch lustig, oder?). Ich sage, es geht um Musik und das wars
auch schon! Natürlich wabert man in einer Szene rum. Natürlich
wird man klassifiziert. Aber wenn es nach Inhalten gehen würde
und nicht nach plagiaten Oberflächen, dann wäre Hiphop
in Deutschland kein HipHop, sondern Volksmusik. Schade aber wahr.
Ich z.B. werde eingeordnet bei Hiphop, TripHop, Bigbeat und Breakbeat,
ja was denn nun? Mir ist das egal und bestätigt meine Ansicht
über Klassifizierungen. Vielleicht eine neue Sparte "DJ-Musik"?
Im Arazzo Tanztheater Köln warst Du im September Teil
der Aufführung "Fuoco Lento". Dein Part war die
Musikuntermalung und ganz unherkömmlich hast Du dort Händel,
Monteverdi und Marais zusamengemixt. Wie kann man sich das vorstellen
und wie kam diese Kooperation mit dem Theater zu Stande?
An das Arazzo
Tanztheater bin ich über einen Grafik-Design-Job gekommen.
Ich hatte den Auftrag, das Plakat, die Postkarte und ein Leporello
für das Stück "Fuoco Lento" zu entwerfen.
Gabrielle Staiger, die Choreographin und zugleich Besitzerin
des Arazzo Tanztheaters war dann öfters bei mir, um die
Entwürfe zu besprechen. Und dabei stellte sich heraus, dass
wir uns grün sind. Sie hörte sich meine Sachen an und
fragte mich, ob ich Interesse hätte, den Sound für
das Stück zu machen. Das fand ich hoch interessant, zumal
es bis dato noch keine Kooperation von einem Tanztheater mit
einem DJ gab. Das Ergebnis dieser Zusammenarbeit war auch ziemlich
schräg - Moteverdi-Loops mit Subbässen und Scratcheinlagen,
Händel mit Jazzbeats gemischt und Maraais rhythmische Fragmente
gegliedert. Das aller schärfste war aber die Premiere. Da
musste ich zum Schluss mit auf die Bühne und mich verbeugen.
Ein recht skurriles Bild, wenn man sich vorstellt, dass alle
Tänzer(innen) ca. 1.60 m groß sind, max. 60 kg wiegen
und ich mit meinen 115 Kilogramm und 1.86 Meter daneben stehe!
Was kann man in der Zukunft so von Dir erwarten?
Einiges, auf
längere Zeit gesehen. Das nächste wird ein Projekt
sein, mit Prof. Dr. Michael Erlhoff zusammen. Er ist Professor
an der FH-Köln Fachbereich Design. Er lehrt dort Design-
und Kunstgeschichte. Er liest / spricht barocke Texte und Gedichte
aus dem 30 jährigen Krieg und ich baue den Sound dazu /
darunter. Das ist aber schon geschehen und wir sind nun am Überlegen,
wer denn die Sache veröffentlichen kann, bzw. will. Ob es
ein Verlag oder ein Label wird, wissen wir noch nicht. Denn es
soll dazu ein aufwendiges Buch geben, in dem die Texte erläutert
werden und über HipHop und die Kombination aus beidem geschrieben
wird. Das Projekt wird heißen. "MC Prof. Dr. Michael
Erlhoff feat. DJ Fangkiebassbeton". Mitte bis Ende 2002
wird es von mir einen Remix von einem Track der neuen "Dälek"
Scheibe geben, der dann auf der Remix-LP erscheinen wird. Die
wird ein ziemlich stranges Line-Up haben. Mit "Größen"
und "kleinen Lichtern", wie ich eins bin! Natürlich
habe ich auch Lust, meine dritte Scheibe heraus zu bringen, aber
erst einmal muss ich Diplom machen und mich auf meine Zukunft
in der Arbeitswelt fokussieren. Dann kann ich auch wieder eigene
Tracks produzieren. Auflegen werde ich weiterhin. Hier und da.
Vielleicht auch regelmäßig in einem Kölner Club...
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